222
Dar Zeitalter der Zerstörung des alten und der Entstehung des neuen Reichs.
deutschen Staaten und Sachsen folgten einige Jahre später, und so wurde ein großer Teil Deutschlands wirtschaftlich geeinigt. In der Neujahrsnacht 1833/34 hoben sich zwischen den meisten deutschen Ländern die Schlagbäume, um die langen Reihen der wartenden Frachtwagen zum ersten Male ohne Zoll hindurchlassen; sie schlossen sich nicht wieder, und Ämtsber Handel hatte freie Bahn. Die segensreichen Folgen des Zollverein-mächten sich bald geltend. Seitdem zwischen den einzelnen Staaten die Zollschranken gefallen waren, öffnete sich dem Gewerbe ein e i n h e i t l i ch e s Absatzgebiet, das vom Bodensee bis zur Memel reichte. Nach außen traten die Zollvereinsstaaten gemeinsam auf und konnten die heimische Industrie durch gemeinsame Maßregeln schützen und fördern. Zugleich aber hatte der Abschluß des Zollvereins eine politische Bedeutung. Der regere Verkehr brachte Süd- und Norddeutsche näher zusammen; zum ersten Male war ein großer Teil Deutschlands unter Preußens Führung geeinigt; so war der Zollverein der Vorläufer der nationalen Einigung Deutschlands.
§ 227. Das wirlschmchi> Swifti in In denselben
Jahrzehnten begannen Deutschland der gewaltige Aufschwung des Gewerbes und des Verkehrs, der das neunzehnte Jahrhundert von allen früheren Jahrhunderten unterscheidet. Seit dem siebzehnten -Jahrhundert war Das F a örikwesen, der gewerbliche Großbetrieb, vielfach durch die Staatsregierungen begünstigt, allmählich dem Handwerk, dem Kleinbetrieb, zur Seite getreten; es ist erzählt worden, wie z. B. der Große Kurfürst und Friedrich der Große die Anlage von Fabriken auf jede Weise förderten. Seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts trat nun dadurch ein ge-erfind«^™, waltiger Fortschritt im gewerblichen Leben ein, daß man die Dampfkraft der menschlichen Arbeit dienstbar machen lernte. James Watt, ein Schotte, hat um 1770 die erste brauchbare Dampfmaschine gebaut^"I807, wurde zu New-Aork das erste Dampfschiff, 1814 von dem Engländer George Stephenson die erste Lokomotive erbaut. Die Engländer waren das erste Volk, das sich die neuen Erfindungen in großem Maßstabe zu nutze machte; so wuchs England, wie es bereits der erste Handels- und Kolonialstaat der Welt geworden war, nunmehr auch zum ersten Industriestaat heran. Deutschland folgte England langsam nach. 1825_ fuhren die ersten Dampfer auf dem Rhein; ljg5 wurde die erste deutsche Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth dem Betrieb übergeben; der erste größere Schienenweg
Volkswirtschaft und geistiges Leben in Deutschland.
v
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24
Aus der Geschichte des Altertums.
Als Csar Gallien verlie, war der Rhein die Grenze zwischen Rmern und Germanen.
Aber der Rhein selbst war niemals eine Vlkerscheide. Schon 38 (?) v- Chr. siedelte Agrippa die Ubier, die der den Flu gekommen waren, auf dem linken Ufer an dem davon ra Ubiorum genannten Platze, der spteren Colonia Agrippinensis (wie sie seit 50 it. Chr. als Geburtsort der Gemahlin des Kaisers Klandius genannt wurde, dem heutigen Cln), an. Bald darauf begann eine lebhafte Bewegung unter den freien rechts-rheinischen Stmmen; ihre Heere betraten rmisches Gebiet, besiegten rmische Truppen und kehrten von glcklichen Beutezgen unangefochten zu-rck. Endlich beschlo Angnstns, nachdem er das Land sdlich der Donau in das Reich einbezogen hatte, den Angriff gegen die freien Germanen, um womglich die Grenzen vom Rhein bis zur Elbe vorzuschieben.
Ein Jahrhundert nach ihrem ersten Auftreten begann fr die Ger-manen eine etwa ein Menschenalter (von 16 vor bis 16 n. Chr.) um-fassende Periode schwerer Kmpfe um ihre Freiheit.
Tiberius und Drusus unterwarfen Rtien und Vindelizien (Ost-schweiz, Tirol und die vorgelagerte Schwbisch-Bayerische Hochebene bis zum Lech), wo Passau, Augsburg, Memmingen aus rmischen Kolonien erwuchsen. Tiberius lieferte 14 v. Chr. den Vindeliziern bei Lindau (?) auf dem Bodensee ein Treffen.- vom See aus zog er zu den Quellen der Donau, nach Brigobanne (Hfingen). In den Jahren 129 v. Chr. leitete Drusus den Angriff auf die Germanen von Westen her, sicherte die Grenzfestungen (Mainz, Cln, Birten [Castra vetera bei kernten]), legte mehr als 50 Kastelle an und unternahm vier Zge nach Deutsch-laud hinein. Er zog den Drususgraben vom Rhein zur Issel, in den Binnensee Flevo (Znidersee) und weiter zur Nordsee. 12 v. Chr. fuhr er auf diesem Wege der Meer in die Mndung der Ems und unterwarf die Friesen: der erste Abschnitt einer planmigen Unterwerfung Binnen-deutschlands. 11 v. Chr. legte er landeinwrts an der oberen Lippe Aliso an (Lage unbestimmt.' Elsen? Haltern? Oberaden?).
Zuletzt drang er bis zur Elbe vor, aber auf dem Rckmarsch die Saale entlang verunglckte er und starb in Mainz.
Tiberius folgte ihm im Oberfehl. Mit Gewalt und durch diplo-matische Klugheit unterwarf er die Stmme bis zur Weser. Als er nach zehnjhriger Unterbrechung das Kommando zum zweiten Male ber-Kommen hatte, zog er im Jahre 5 n. Chr. an der Spitze des nieder-rheinischen Heeres bis zur unteren Elbe. Fr das folgende Jahr plante er einen Doppelangriff von der Elbe und der Donau aus gegen Bhmen. Hier hatte Marbod die keltische Bevlkerung vertrieben und ein oft-germanisches Knigreich gegrndet. Aber eine Meuterei der pannonischen Legionen vereitelte die Ausfhrung des Planes. Als Tiberius damals den Niederrhein verlie, hatten die Rmer ihre grten Erfolge in Nord-deutschend erreicht: man konnte das Land zwischen Rhein und Elbe als rmisches Gebiet ansehen.
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— 24 —
Am 10. Mai 1871 kam es zum Friedensschluß in Frankfurt a. M. Deutschland erhielt Elsaß und Lothringen als Reichsland und 4000
Millionen Mark Kriegskosten. Das war ein Krieg und ein Erfolg
ohne gleichen. Ganz Deutschland war geeinigt, Kaiser und Reich erneuert und das verlorene Reichsland wiedergebracht. Den Franzosen hatte der Krieg eine schöne Provinz, viel Geld und Gut, viele Tote und Verwundete, fast 1/2 Million Gefangene, 6700 Kanonen, viele Festungen und verlorene Schlachten und ihren alten Kriegsruhm gekostet.
Die deutscheu Truppen wurden in der Heimat mit hohen Ehren und großer Freude empfangen, am herrlichsten in Berlin. Der greise
Sieger aber gab demütig Gott die Ehre und ließ im ganzen Lande
einen Dankgottesdienst abhalten.
7. Der starke Hort des Friedens. Nach den drei großen Kriegen regierte Kaiser Wilhelm I. noch 17 Jahre in Frieden. Unter ihm und seinem großen Kanzler, dem Fürsten Bismarck, trat Deutschland an die Spitze Europas. Der deutsche Kaiser war der Schiedsrichter bei den Streitigkeiten der Fürsten und Völker. Mit Österreich und Italien schloß er den Dreibund zur Erhaltung des Friedens. In fremden Ländern wurden deutsche Ansiedelungen angelegt. Deutsche Kriegsschiffe beschützten die Deutschen im Auslande. Der deutsche Name war jetzt in der ganzen Welt geachtet.
Der Reichstag, ix H. die 397 Abgeordneten des deutschen Volkes, und der Bundesrat, d. H. die 58 Vertreter der Fürsten, suchten durch weise Gesetze die Einheit in den 26 deutschen Staaten zu fördern. So wurden gleiche Münzen, Maße und Gewichte eingeführt. Die kaiserliche Post erleichterte den Verkehr in ganz Deutschland; ja ein Weltpostverein wurde gegründet, damit man Briefe, Geld und Waren billig und rasch in die ganze Welt senden könnte. Der Staat übernahm die Eisenbahnen und Fernschreiber und verwaltet sie trefflich zum Besten der Unterthanen. Er unterstützte Handel und Gewerbe, legte Straßen und Kanäle an und verbindet jetzt sogar die Nord-nnd Ostsee durch einen großen Kanal. Berlin verschönerte sich durch herrliche Gebäude, Straßen und Denkmäler von Jahr zu Jahr. Ein besonderer Schmuck wird das neue Reichstagsgebäude sein. Von den Denkmälern ist das schönste das Nationaldenkmal auf dem Niederwalde bei Bingen am Rheine und das Hermannsdenkmal auf dem Teutoburger Walde bei Detmold.
Unter Kaiser Wilhelm I. wurden viele Schulen gebaut und der Unterricht verbessert. Gelehrte Reisende erforschten fremde Länder. Die äußere Mission sucht die Heiden zu bekehren, die innere Mission aber Not und Elend in der Christenheit zu lindern.
8. Der fürsorgende Landesvater. Unermüdlich hat der edle Kaiser für fein Land und Volk gesorgt. „Ich bin glücklich, wenn Preußens Volk glücklich ist!" sagte er. Ein andermal: „Ich achte es viel höher, geliebt zu fein, als gefürchtet zu werden!" Noch auf dem Totenbette flüsterte er: „Ich habe keine Zeit, müde zu sein!"
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— 147
hat 3. B. ab und zu gesunden, daß die älteren Gräber tiefer lagen als die jüngeren, oder daß die älteren Urnen mit Steinen umgeben waren, während die jüngeren frei im Boden standen usw.
wir fanden zu unserer großen Freude, daß trotz der Zerstörung des Friedhofes durch die landwirtschaftlichen Arbeiten doch noch zahlreiche wichtige und wertvolle Fundstücke zutage kamen, so daß in uns der Entschluß reifte, im Laufe der Jahre den ganzen Friedhof zu untersuchen.
Ferner erkannten wir bald, daß das Urnenfeld Gräber aus zwei verschiedenen Zeitaltern enthielt, aus der la Tenezeit und der römischen Periode, und zwar dergestalt, daß ab und zu nur Gräber derselben Zeit beisammen lagen, während an anderen Stellen ältere und jüngere nebeneinander vorkamen. Später stellte sich Heraus, daß auf dem Gipfel des Fjügels nur la (Eeneurnen standen. Dort Hatte man also mit dem Begraben begonnen, während in der römischen Zeit an den Abhängen des fjügels Urnen zwischen die älteren Gesäße gesetzt wurden. Man erkennt das sehr deutlich auf der Fundkarte, auf der jedes Grab genau seiner Lage nach eingetragen ist.
Die Urnen der la Tenezeit sind meistens unverziert oder mit einfachen Strichen geschmückt. (Einige haben recht gefällige Form und eine glänzend schwarze Außenfläche, die im Schmauchfeuer erzeugt wurde. Die Grabbeigaben sind verhältnismäßig selten und bestehen meistens in einer eisernen Bügelnadel (Fig. 147). Die ältesten derselben stammen aus der Zeit um 150 v. (Ihr. Damals wurden also die ersten Urnen vergraben.
Außer zahlreichen Tonurnen entdeckten wir auch mehrere frührömische Bronzegefäße, ein paar (Eimer (Fig. 144) und mehrere Kessel mit flach gewölbtem Boden (Fig. 145). Die Bronzegefäße bezeugen, daß die norddeutschen Germanen in der späten la Tenezeit in ziemlich lebhaftem Verkehr mit den südlich wohnenden Keltenstämmen standen, die die Bronzegefäße von den Römern erhielten. Gewiß waren die großen Ströme, besonders die Elbe, Hauptwege des Handels. Das ergibt sich aus der großen Verwandtschaft der Funde längs des Flusses bis nach Böhmen hinein.
10*
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Jetzt lernte man von Den Römern auch Den Gebrauch der
Schlüssel (Fig. 191). (Es sinö ein-
fache, hakenförmig gebogene Dietriche, die wohl zum verschließen der Behälter öienten, in öenen die Frauen ihre Kostbarkeiten aufbewahrten.
Groß ist die Menge der Funöe, die einst als römisches £)anöelsgut gegen Laugenseife, blonöes Frauenhaar, Bernstein, (Bänseöaunen und Sflaoen er-stanöen rouröen. Die i)anöelsmege führten, wie es scheint, weniger über £anö durch das oft feinöliche barbarische Gebiet, als über
das Ivasser. Die beöeutenösten Funöe aus der älteren Römerzeit
sinö nämlich in der Itähe der Itorö- und Ostsee gehoben woröen.
Don Den Rentiern, die am süööstlichen Gestaöe des baltischen
m-162.
Boden eines Tongefätzes mit ringförmigen Wülsten, die die Kreise unter dem Boden römischer Bronzegefätze nachahmen. Nienbüttel.
Fig. 163. Schlüssel.
(I. Undset. Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa.)
Fig. 164.
Beigaben aus einer Urne (Frauengrab): bronzene Gewandnadeln , eiserne Schnalle, eisernes Messer, Spinnroirtel (Spinbeistein) von Ton, zwei bronzene Fibeln, zerschmolzene bunte Glasperle. Pinneberg in Holstein.
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44
Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619—1648.
gesetze eingeschritten waren. Jetzt hatten sich die Erwerbsverhältnisse völlig verändert. Die Bauern konnten sich nur mühsam aus dem Elend und aus der sittlichen Verwilderung, in die sie der Krieg gestürzt hatte, emporarbeiten. Die deutschen Handwerker, die einst so behäbig gehaust hatten, waren arme, gedrückte, mutlose Leute geworden; einst waren die Erzeugnisse des deutschen Gewerbes ins Ausland gegangen, jetzt wurden englische, holländische und französische Waren in Menge eingeführt. Der deutsche Handel lag danieder, denn die Mündungen der großen Ströme waren in den Händen der Fremden, die dort hohe Zölle erhoben. Am Welthandel nahm Deutschland keinen Anteil; während sich Holland, Frankreich und England zu Handels-und Kolonialvölkern ersten Ranges entwickelten, mußte Deutschland, dessen Handelsschiffe zur Zeit der Hanse die nördlichen Meere beherrscht hatten, mühsam um die ersten Anfänge des Wohlstandes ringen.
Die sozialen Auch die sozialen Verhältnisse machten in jenen Zeiten eine
Verhältnisse. durch. Am schlechtesten ging es- dem Stande der Bauern, die
fast allenthalben unter dem Drucke der Gutsherren standen, ihnen untertänig und zu Frondiensten verpflichtet und nicht einmal selbständige Besitzer ihrer Höfe waren. Aber auch das Bürgertum befaß nicht mehr die Bedeutung und das stolze Selbstgefühl früherer Zeiten; ein demütiges und unterwürfiges, zugleich aber geziertes und förmliches Wesen nahm überhand, und von nationalem Sinn und Selbstbewußtsein war an vielen Orten keine Spur mehr vorhanden. Auch der Adel stand nicht mehr so selbständig und trotzig da, wie vorzeiten; er hatte sich der Macht der Fürsten beugen müssen und bildete sich eben damals vielfach zu einem Hofadel oder, wie in Brandenburg, zu einem Offiziers- und Beamtenadel um. Dafür wurde er aber auch von den Fürsten in hohem Maße gefördert und mit Vorrechten ausgestattet; er genoß das höchste gesellschaftliche Ansehen und war in jeder Beziehung der erste Stand. Das adlige und höfische Leben aber nahm damals Formen an, die aus dem Auslande erborgt waren; mit der Etikette des französischen Hofes übernahm man französische Sitten und Moden, französische Kleider und Perücken; die französische Sprache wurde die Sprache der feinen Welt, und wer deutsch sprach, glaubte sich dann am geschmackvollsten auszudrücken, wenn er möglichst viele Fremdwörter anwandte.
Das geistige § 49. Das geistige Leben. Auch das geistige Leben hatte durch 2e6en' den Krieg gelitten. Am schlimmsten war die geistige Roheit bei dem Bauernstande. Aber auch das höhere Schulwesen und die Wissenschaft nahmen erst allmählich wieder einen Aufschwung. Aberglaube war weit
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Holland Frankreich England Deutschland Brandenburg
Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
319
Am 7. April 1839 wurde die ganze Bahn eröffnet, und noch lange erzählte sich das Volk von den Abenteuern dieser ersten Fahrten. Auf einer Station war ein Leipziger Student mitsamt einem unbezahlten Glase Bier dem Kellner hohnlachend davongefahren; in dem gefürchteten Tunnel pflegten die Damen reiferen Alters eine Stecknadel zwischen die Lippen zu nehmen, um sich gegen die Liebkosungen ausschweifender Jünglinge zu sichern. Vorsichtige Ärzte wollten von der Tunnelfahrt, die fast eine Minute währte, überhaupt nichts hören; sie befürchteten, bei dem plötzlichen Luftwechsel müsse ältliche Leute der Schlag rühren, und allerdings waren die Wagen der dritten Klasse noch unbedeckt, die der zweiten ohne Fenster. Daß die Schienen und die Räder durch die ungeheure Reibung notwendig in Brand geraten müßten, war die allgemeine Ansicht; erst die vollendete Thatsache schlug alle Befürchtungen zu Boden. Der Erfolg übertraf die kühnsten Erwartungen. Erstaunlich wie diese erste große Eisenbahn auf den benachbarten Laudstraßeu Mitteldeutschlands sofort die Reiselust belebte; im Jahre 1828 beherbergten die Dresdener Gasthöfe 7000 Fremde, in den ersten drei Vierteljahren 1839 bereits 36 000. Schon in ihrem ersten Jahre beförderte die Bahn 412 000 Personen und 3,85 Mill. Meilen-Eentner. Im zweiten Jahre sank der Personenverkehr um ein geringes, weil sich die erste Neugierde etwas gelegt hatte; der Güterverkehr aber stieg mit einer ganz ungeahnten Schnelligkeit. Anfangs waren viele Frachtfuhrleute noch gemächlich auf der Landstraße neben dem Dampfwageu hingefahren, weil die Spediteure die Kosten des Umladens scheuten. Erst seit die Bahn Anschlüsse erhielt und die Anfuhr zu den Bahnhöfen erleichterte, riß sie auch den Güterverkehr an sich, und nach einer Reihe von Jahren ergab sich, daß sie von den Gütern mehr einnahm als von den Personen. Dies widersprach allen Vorhersaguugen; hatte doch selbst der berühmte Arago versichert, eine Eisenbahn könne viel» leicht Personen, doch unmöglich große Gütermassen befördern.
Leider erlebte List au diesem Triumphe seiner Jdeeen wenig Freude. Es giebt einsame Genies, die wohl durch schöpferische Gedanken ihre Nation erwecken und erheben können, aber nicht fähig sind, mit ihrer vollsastigen ursprünglichen Kraft in dem alltäglichen kleinen Getriebe des öffentlichen Lebens mitteninne zu wirken. Ihnen fällt meist ein tragisches Los. Wie einst seinen Genossen in der württembergischen Kammer, so wurde List
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Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
324 ;
Rappen mit der Lokomotive nicht Schritt halten konnten, und eines Tages erfuhren die Berliner zu ihrer freudigen Überraschung, Seine Majestät sei heute früh mit dem Bahnzuge nach Potsdam gereist. Tie Magdeburger Kaufmannschaft rührte sich kräftig. Derweil die Leipziger Bahn in Angriff genommen wurde, begannen schon erfolgreiche Vorarbeiten für eine zweite Linie über Köthen nach Berlin und zugleich Verhandlungen wegen einer dritten Bahn nach Hamburg. Dort freilich zeigte sich der Senat sehr ängstlich, er fürchtete die Abnahme der Elb-fchiffahrt und die Verarmung der Schiffer.
Sehr lauge währten die Vorbereitungen für die wichtige Bahn von Köln zur belgischen Grenze. Da mußten sich erst zwei streitende Gesellschaften verschmelzen. Dazwischen hinein spielten widerwärtige Verhandlungen mit dem Brüsseler Hofe, der damals, aufgestachelt durch die Westmächte, dem preußischen Nachbarn eine wenig freundliche Gesinnung zeigte und, dem Geiste der Neutralität zuwider, schon an eine umfassende Befestigung seiner Ostgrenze dachte. Der König schrieb deshalb selbst an König Leopold und drohte mit dem Abbruch der diplomatischen Verbindungen (1837). Trotzdem ließ er, auf Werthers verständigen Rat und die dringenden Bitten König Ludwigs von Bayern, den Plan der Köln-Antwerpener Eisenbahn nicht fallen. Die Bahn war zu wertvoll, nicht bloß für den Handel der Rheinlande, sondern auch für die deutsche Politik: sie sollte Hollands allezeit unberechenbare Zöllen umgehen und das belgische Land fester an Deutschland anschließen, da die Brüssel-Pariser Eisenbahn immer noch nicht fertig wurde. Endlich lenkte Belgien ein, und man ward handelseinig. Im August 1839, am Vorabend des königlichen Geburtstages, eröffnete Ammon, der Vorsitzende der neuen Gesellschaft, die erste Bahnstrecke. Er wußte, wie lebhaft Rother und mehrere der anderen Minister die Abhängigkeit vom Auslande fürchteten, und sagte darum in seiner Festrede stolz: „die deutsche Treue beruht auf festem Grunde, auf der angestammten Liebe für König und Vaterland, auf der klaren Erkenntnis unserer nationalen Vorzüge, unserer sittlichen Volkswürde." Unterdessen berieten die Kölner schon über die unentbehrliche große Eisenbahn nach dem Osten, nach Minden und Magdeburg.
Ungeheuer war der Umschwung. Die Eisenverzehrung des Zollvereins stieg in den Jahren 1834—41 von 10,6 auf 18,1
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Extrahierte Personennamen: Leopold Leopold Ludwigs_von_Bayern Ludwigs August Ammon
Extrahierte Ortsnamen: Potsdam Berlin Hamburg Rheinlande Hollands Deutschland Minden Magdeburg
Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
15
bindnngsweges zwischen dieser und der Elbe, der Finowkanal zwischen Havel und Oder, 1744—1746 gebaut, der Bromberger Kanal, der mittelst der Brahe und Netze die Oder und Weichsel verbindet, 1772—1773 ausgeführt. Der Verkehr auf der Oder hob sich sehr, und die Anlage des Hafens von Swinemünde (1746) wirkte auf den Seehandel Stettins äußerst günstig. Aber der mit den vereinigten Staaten von Nordamerika 1785 geschlossene Handelsvertrag brachte Preußen keinen Nutzen.
Trotz aller fördernden Einrichtungen konnte bei dem Fortbestehen der vorhandenen Hemmnisse der Handel sich nicht frei entwickeln. Zwischen den einzelnen Landesteilen im Osten und Westen, zwischen alten und neuen Provinzen standen trennend die Schlagbäume; die gewerblichen Erzeugnisse der einen Provinz kouuten in der anderen oft nicht vertrieben werden; dies Verbot mußte mit dem Handel zugleich wieder die Industrie lähmen. Am schlimmsten aber wirkte die zur Hebung der Gewerbe und zur Heranziehung und zum Festhalten des Geldes im Lande durchgeführte Grundsatz des Merkantilsystems, die Ausfuhr der einheimischen Rohstoffe und die Einfuhr fremder Jndnftrieerzeuguisse zu verbieten oder mindestens durch hohe Zölle zu beschränken. Der Durchgangshandel war damit von selbst ausgeschlossen. Da Sachsen auf das Leipziger Stapelrecht ängstlich wachte, führte Friedrich wieder das Stapelrecht in Magdeburg ein (1745) und erhob für den Durchgang fremder Waren durch das Magdeburgische hohe Zölle (1755). Sachsen rächte sich durch das Verbot der Einfuhr preußischer Waren. Ein Vertrag gab wenigstens den Meßverkehr ziemlich frei (1766). Schmuggel und Ausfall der Zolleinnahmen waren die natürlichen Folgen der lästigen und hohen Zölle. Erhebliche Besserung schaffte erst die neue Zollordnung von 1768.
Landwirtschaft, Handel und Gewerbe standen eben alle unter dem Banne, zur Steigerung der Staatseinkünfte zu dienen. Zahlte der Bauer seine Kontribution, so entrichtete der Bürger die Aecise. Zur Erhöhung der letzteren führte Friedrich am 1. Juni 1766 die selbständige »Administration generale des accises et peages" ein, die als „Regie" das mißliebigste Institut des Staates ward. Für die Aufhebung der Steuern auf Getreide und Mehl belegte er Fleisch, Bier und Wein mit um so höheren Abgaben und dehnte die Accije bald (1769) auf weitere Verbrauchsgegenstände aus. Das alte Salzmonopol wurde jetzt auch für
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich